Lassen sich die Erfolgsgeheimnisse des Silicon Valley auf Deutschland übertragen? Im zweiten Teil unseres Interviews beschreibt Annika Hoeltje, welche Eigenschaften zwischen San Francisco und San José gefragt sind. Zudem blickt sie als Innovation Scout für das Land Baden-Württemberg im Silicon Valleyblickt in die technologische Zukunft.

 

Artikelreihe zum Silicon Valley

 

Welche Rolle spielt die Nähe zur Stanford University und zur University of California, Berkeley, für den Erfolg des Silicon Valley?

Annika Hoeltje: Die beiden Unis sind ein entscheidender Faktor und arbeiten sehr eng mit der Wirtschaft zusammen. Diese Kooperation und das gemeinsame Realisieren von Projekten läuft absolut unbürokratisch. Stanford und die UC Berkeley achten darauf, dass sie den Studenten nicht nur Technologie-Skills vermitteln, sondern auch Know-how zum Entrepreneurship mitgeben. So sind die Absolventen mit dem erforderlichen Rüstzeug ausgestattet, das sie für eine erfolgreiche Start-up- oder Unternehmensgründung benötigen. Die Professoren agieren zum Teil auch selbst als Geldgeber und investieren in vielversprechende Start-ups.

 

Kann man Innovation lernen?

Annika Hoeltje: Definitiv, am besten natürlich im InnovationCamp (lacht). Viel hängt vom richtigen Vorgehen ab: Man muss immer wieder fragen und ausprobieren. Die Teilnehmer, die die Silicon-Valley-Methoden im InnovationCamp erproben, haben oft einen Aha-Effekt und merken, dass diese auch in Deutschland funktionieren. Wenn sich der Geschäftsführer eines Unternehmens mit Gründern unterhält, kann er viel für das eigene Business lernen. Möchte man ein neues Produkt entwickeln, ist die Vorgehensweise durchaus mit einem Start-up vergleichbar, weil man den Markt nicht kennt, ganz neue Kundenwünsche und Technologien zusammenbringen und sich richtig positionieren muss.

 

Wie werden deutsche Unternehmen und speziell der Mittelstand im Silicon Valley wahrgenommen?

Annika Hoeltje: Deutsche Unternehmen sind eher weniger für innovative Softwareentwicklung bekannt. Aber bei allem, was mit Hardware zu tun hat, etwa beim Maschinenbau und in der Produktion, steht Deutschland für herausragende Qualität. German Engineering ist im Silicon Valley durchaus ein Qualitätsmerkmal. Weil die dortigen Start-ups aktuell viel Software für Industrie 4.0 entwickeln, gelten insbesondere deutsche Mittelständler als begehrte Partner, um gemeinsam neue Anwendungen zu entwickeln und zu testen.

 

Annika Hoeltje Loren Heilig IBsolution

Innovation Scout Annika Hoeltje und Loren Heilig, Geschäftsführer von IBsolution

 

Du lebst seit knapp acht Jahren in der Bay Area. Was war für dich die größte Umstellung?

Annika Hoeltje: Als Deutsche musste ich vor allem meine Skepsis überwinden und die typische „Ja, aber“- in eine „Ja, und“-Einstellung verwandeln. Auch Bescheidenheit und der Drang, alles perfekt machen zu wollen, stehen einem eher im Weg. Bei der Frage, ob man eine Aufgabe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erledigen kann, sollte man nicht zögern, sondern die Deadline zusagen. Wenn es dann doch nicht ganz klappt, ist es auch nicht schlimm, solange man es frühzeitig kommuniziert.

 

Und ich musste mir angewöhnen, häufiger zu loben. Wir Deutschen üben gerne konstruktive Kritik, vernachlässigen es aber bisweilen, gute Leistungen anzuerkennen und zu feiern. Ich weiß gar nicht, warum uns das so schwerfällt, denn Loben ist doch etwas Schönes. Positive Rückmeldungen sind gerade im Silicon Valley wichtig, weil die Menschen regelmäßig Feedback einfordern. Ich habe ein deutsches Team um mich herum und stelle erfreulicherweise fest: Wir können das auch.

 

Welche Themen bewegen das Valley aktuell?

Annika Hoeltje: Die Veränderung der Mobilität durch den baldigen Einsatz von autonomen, vernetzten Elektro- und Hybrid-Taxiflotten ist derzeit ein Riesenthema. Unabhängig von der Branche sollten sich deutsche Unternehmen sehr genau mit den neuen technologischen Entwicklungen in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Machine und Deep Learning beschäftigen. Diese Querschnittstechnologien werden schon bald einen immensen Einfluss auf alle Industrien und Branchen haben. Viele Deutsche denken, dass es im Silicon Valley vor allem um B2C geht, dabei ist die Region im B2B-Bereich ebenso stark. Valley-Firmen wie Google dringen immer stärker in den B2B-Bereich vor und beschäftigen sich auch stark mit Industrie-4.0-Themen, weil das ein äußerst lukrativer Markt ist. Eine McKinsey-Studie prognostiziert für das Internet of Things bis 2025 einen wirtschaftlichen Mehrwert von bis zu 11,1 Billionen US-Dollar.

 

Die technologische Entwicklung läuft in geradezu atemberaubender Geschwindigkeit ab. Amazon hat im vergangenen Jahr knapp 23 Milliarden US-Dollar in Forschung und Entwicklung investiert. Das Ziel des Unternehmens ist es, eine Branche nach der anderen zu besetzen und zu dominieren. Bei Industrie-4.0-Themen und in der industriellen Fertigung werden sich Plattformen immer stärker durchsetzen, selbst wenn sich das viele heute noch nicht vorstellen können. Dazu gibt es im Silicon Valley schon einige spannende Ansätze, die auch deutsche Unternehmen mit großem Interesse verfolgen.

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