Was macht die Unternehmen aus dem Silicon Valley derart innovativ? Dieser Frage gingen Oliver Donner und Loren Heilig beim InnovationCamp BW nach. Im zweiten Teil des Interviews vergleichen unsere Geschäftsführer die Arbeitswelten im Silicon Valley und in Deutschland und ziehen eine Bilanz ihres Aufenthalts in der Bay Area.

 

Artikelreihe zum Silicon Valley

 

Welche (kulturellen) Unterschiede sind euch zwischen Deutschland und dem Silicon Valley aufgefallen?

Loren: Im Silicon Valley ist alles sehr stark auf das Vorankommen im Job und den wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet. Die Kollegen sind praktisch das einzige soziale Umfeld, in dem sich die Menschen bewegen. Was aber auch gesagt werden muss: Die wenigsten verbringen ihr gesamtes Arbeitsleben im Silicon Valley. Typischerweise gehen viele nach einigen Jahren wieder weg, um irgendwo anders eine Familie zu gründen. Erfolgreiche Unternehmer bleiben dem Valley aber meist als Investoren verbunden.

 

Oliver: Das Silicon Valley steht nicht repräsentativ für die USA, sondern ist gewissermaßen ein eigenes Ökosystem. Es gibt eine riesige Gründerszene und einen großen Hype um die dort ansässigen Tech-Unternehmen. Was die Leute in der Bay Area extrem gut können, ist Marketing und Produktmanagement.

 

Welche der besuchten Unternehmen sind euch besonders in Erinnerung geblieben und warum?

Loren: Ich fand AppBuddy und Jitterbit sehr spannend. AppBuddy bietet mit seinem Produkt GridBuddy ein Salesforce-Add-on, um Massendaten in Tabellenform zu pflegen und zu editieren. Im Silicon Valley sind lediglich die Abteilungen Business Development und Sales von AppBuddy beheimatet. Die Programmierung wurde in die Ukraine oder nach Weißrussland ausgelagert. Das wussten die Firmengründer erstaunlicherweise selbst nicht so genau. Allein mit dem erwähnten Add-on macht AppBuddy mittlerweile sieben Millionen US-Dollar Umsatz pro Jahr.

 

Die Software Jitterbit ermöglicht eine Datenintegration auf der Salesforce-Plattform. Zuerst war das Produkt als eierlegende Wollmilchsau konzipiert, hatte also einen riesigen Funktionsumfang. Da die Verkaufserfolge bescheiden waren, hat das Unternehmen eine Nutzeranalyse durchgeführt. Das Ergebnis: Hauptzielgruppen sind Salesforce-Administratoren. Diese sind überwiegend weiblich und Anfang 30. Auf Basis der Analyse hat Jitterbit die Unternehmenswebsite umgestaltet, um die weibliche Zielgruppe stärker anzusprechen. Gleichzeitig wurde der Funktionsumfang der Software reduziert, dadurch konnte der Preis gesenkt werden. Inzwischen beläuft sich der jährliche Umsatz von Jitterbit auf 120 Millionen US-Dollar.

 

Oliver: Noch mehr als einzelne Unternehmen sind mir bestimmte Gespräche in Erinnerung geblieben, die mich persönlich bei meiner Challenge vorangebracht haben. Beispielsweise hat ein Marketingexperte aufgezeigt, wie direkter und indirekter Vertrieb am besten funktionieren. Ein Coach der University of Berkeley hat das Business Model Canvas in eine Software gegossen, die alle Elemente des entwickelten Geschäftsmodells abbildet.

 

Wie fällt eure Bilanz des Trips aus?

Oliver: Absolut positiv. Ich konnte zahlreiche Anregungen und viel Know-how mitnehmen. Ich habe gelernt, auf was bei der Produktdefinition zu achten ist, damit das Produkt erfolgreich wird. Auch der Besuch beim Instant-Messaging-Dienst Slack war sehr lehrreich. Dort ging es um die Frage, wie ein Unternehmen Kunden auf seine Plattform bekommt. Slack bietet zunächst einen kostenfreien, aber schon recht umfangreichen Account mit Registrierung. Zusätzlich stehen mehrere kostenpflichtige Varianten mit weiteren Funktionen zur Auswahl. Ein ähnliches Prinzip werden wir bei unserer Software SECMENDO anwenden.

 

Loren: Direkt nach unserer Rückkehr aus dem InnovationCamp hatte ich mich voller Euphorie daran gemacht, die gewonnenen Erkenntnisse im eigenen Unternehmen umzusetzen. Mittlerweile habe ich festgestellt, dass es nicht ganz so einfach ist, die Methoden des Silicon Valley zu implementieren. Es braucht eine gewisse Zeit, bis alle die neuen Herangehensweisen, beispielsweise in Bezug auf die Customer Discovery, verinnerlicht haben. Aber wir kommen Schritt für Schritt voran.

 

Welche persönlichen und beruflichen Erkenntnisse habt ihr mitgenommen?

Loren: Die Kombination aus Prozesstreue, also dem konsequenten Anwenden der vorhandenen Werkzeuge, und hoher Geschwindigkeit ist der beste Weg, um mit innovativen Produkten neue Märkte zu erschließen. Das Problem in Europa ist häufig: Alle wollen Veränderungen, aber keiner will sich ändern. Die Leute im Silicon Valley haben keine überlegenen Skills und sind nicht höher qualifiziert. Ich bin sogar davon überzeugt, dass es in Deutschland die besseren Programmierer gibt. Was uns die Amerikaner allerdings voraushaben, ist der unbedingte Wille, alles für die Innovation zu geben.

 

Oliver: Ich habe viel darüber gelernt, wie im Silicon Valley gearbeitet wird, wie Innovation professionell betrieben wird und wie Produktentwicklung funktioniert. Beeindruckend fand ich auch die Bereitschaft, viel Geld zu investieren, auch wenn sich die Investitionen in den meisten Fällen nicht auszahlt.

 

Könnt ihr das InnovationCamp BW weiterempfehlen?

Oliver: Auf jeden Fall. Wer sich intensiv mit dem Thema Innovation auseinandersetzen möchte, ist dort genau richtig. Hat mein Produkt das Potenzial für einen größeren Markt? Bei einer solchen Fragestellung lassen sich die gelernten Methoden gleich aktiv anwenden. Die Teilnahme erweitert auch den persönlichen Horizont, weil fremde Arbeitsweisen erprobt werden müssen.

 

Loren: Von mir gibt’s ebenfalls eine klare Empfehlung. Das ist eine tolle Initiative des Landes Baden-Württemberg. Andere Bundesländer veranstalten zwar auch Hospitationsreisen in das Silicon Valley; sie besuchen aber lediglich einige wenige Start-ups und Unternehmen – ohne die Möglichkeit des Networkings und der Bearbeitung konkreter Fragestellungen. Was die Dauer, den Umfang und die Leistungen des Programms angeht, gibt es in Deutschland kein vergleichbares Angebot.

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